Am 23. März haben wir im Plenum des Landtags den Antrag der CDU und FDP zur Versorgungssicherheit mit Qualitätsgetreide bezüglich des Krieges in der Ukraine debattiert. Was sich auf den ersten Blick nicht schlecht anhört, bedeutet in Wahrheit die Einführung von Mustern in der Agrarpolitik, die aus gutem Grund bereits lange abgelehnt werden. Meine ausführliche Kritik an dem Antrag können Sie gerne in meiner Rede nachlesen:
„Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ja, der russische Angriffskrieg in der Ukraine ist eine Tragödie ungeahnten Ausmaßes. Neben der Flüchtlingsunterbringung müssen die Auswirkungen auf die Wirtschafts- und Energiesektoren aufgefangen werden, und nach der humanitären Krise entsteht daraus jetzt vielleicht sogar auch eine Agrarkrise. Was wir aber nicht machen dürfen, ist, Klimakrise und Krieg gegeneinander auszuspielen. Mit Ihren Forderungen in diesem Antrag versuchen Sie nämlich, längst missglückte politische Ziele unter fadenscheinigen Argumenten umzusetzen. Nur werden Sie die Klimakrise damit nicht aufhalten. Sie sprechen von der Hungersnot in Ländern, die auf ukrainischen Weizen angewiesen sind, um dann im Anschluss zu sagen: Der Selbstversorgungsgrad in NRW und Deutschland muss stabil bleiben. Ja, die Lebensmittel sind und werden teurer. Aber im globalen Süden wird es arme Menschen treffen und zu einer Hungerkrise kommen, wenn die Felder in der Ukraine nicht bestellt werden und die Ernte ausfällt – obwohl wir heute im Morgenmagazin sehen konnten, dass deutsche Landwirte in der Ukraine waren, die für ein halbes Jahr Diesel hatten; das war kein Problem.
Hätten Sie in Ihrem Antrag vorgeschlagen, die Entwicklungszusammenarbeit zu fördern oder die deutsche Beteiligung am World-Food-Programm der Vereinten Nationen auszubauen, hätten Sie unsere Unterstützung gehabt. Stattdessen wollen Sie die Stilllegungsregelung der GAP aussetzen. Aber mit keinem Wort erwähnen Sie, dass in Brüssel diese 1,2 Millionen Hektar an ökologischen Vorrangflächen, deren Aufwuchs gerade als Futter freigegeben wird, schon auf den Weg gebracht sind. Darum geht es doch aktuell, Frau Winkelmann: um Futtermittel. Der in Deutschland angebaute Weizen wird überwiegend verfüttert. 60 % dieser Flächen gehen in Biosprit, in Futtermittel und in die Energie. Dabei wissen Sie doch, dass wir die Tierbestände langfristig sowieso reduzieren müssen, um unsere Böden und Gewässer zu retten. Anstatt das europäische Agrarmodell zu hinterfragen, mit dem man eine Überversorgung von Fleisch und Milch fabriziert, würden wir doch mit diesen Überlegungen noch mehr produzieren. Der Vorschlag, der heute seitens der EU-Kommission auf dem Tisch liegt, sagt: Europa produziert einerseits zu viel Fleisch und will sogar für das Einlagern von Schweinefleisch Geld ausgeben, und andererseits sollen Futterproduktionen ökologischer Flächen dafür herhalten, noch mehr Tiere zu mästen. – Das ist völlig unsinnig.
An die FDP gewandt: Das ist nicht das einzige Thema, mit dem wir bei dieser Koalition unsere Probleme haben. Mein Eindruck ist, dass Sie hier im Schatten des Krieges konservativ-liberale Politik durchdrücken wollen, von der wir uns schon lange verabschiedet haben. Nehmen wir nur das Aussetzen der Düngeverordnung für ein Jahr. Seit der Verabschiedung der Nitratrichtlinie sind 31 Jahre ins Land gegangen. In dieser Zeit war die CDU 24 Jahre lang im Landwirtschaftsministerium verantwortlich. Sie haben es nie geschafft, diese Richtlinie so umzusetzen, wie sie hätte umgesetzt werden sollen. Stattdessen wurden Strafzahlungen in Milliardenhöhe riskiert – sie stehen immer noch aus –, und jetzt wird wieder auf Verlängerung gespielt. Anscheinend ist das Ihr Programm.
Eine echte Lösung wäre es, wenn wir auf den Flächen, auf denen jetzt Futtermittel und Pflanzen für Energie und Biosprit wachsen, nun Ölsaaten und Lebensmittel anbauen würden. Unsere Landwirte merken doch seit Jahren: Sie sind abhängig vom Saatgut, vom Dünger aus anderen Ländern und letztendlich auch von Exportmärkten. – Wir haben die afrikanische Schweinepest, dann gibt es den einen oder anderen Exportstopp, und schon bricht hier alles zusammen. Wenn an einer Stelle etwas wegfällt, dann haben unsere Landwirte eine Existenzkrise. Deshalb kann unsere Antwort doch nur sein: Wir müssen regionale Kreisläufe aufbauen, um langfristig krisensicher zu werden, und insgesamt muss die EU autonomer werden, was unsere Lebensmittelproduktion anbelangt.
– Herzlichen Dank.“