Doppelte Staatsangehörigkeit ermöglichen: „Ein Gewinn für Identitäten auf allen Ebenen“

Mit Ergül Aydemir, unter anderem Vorsitzende des Integrationsrates der Stadt Ahlen, habe ich über die dringend erforderliche Erweiterung des Rechts auf doppelte Staatsangehörigkeit gesprochen. Hier könnt ihr den Artikel dazu lesen.

Kreis Warendorf / Ahlen: Wer aus einem Nicht-EU-Land stammt, aber in Deutschland lebt und hier eingebürgert werden will, muss sich in der Regel für die deutsche Staatsbürgerschaft entscheiden und die des Herkunftslandes abgeben. Diese sogenannte „Optionspflicht“  wird seit Jahren kontrovers debattiert und kritisiert. Die SPD-Landtagsfraktion hat dazu einen Antrag an die Landesregierung zur  Vorlage beim Bundesrat gestellt. Darin wird gefordert, das Recht auf doppelte Staatsangehörigkeit zu modernisieren und so mehr Menschen die Teilhabe am Leben in Deutschland zu ermöglichen. Dadurch soll auch Diskriminierung entgegen gewirkt und Chancengleichheit gestärkt werden.

Tausche Herkunft gegen Integration?

Auch die SPD aus dem Kreis Warendorf positioniert sich zu diesen Forderungen. Ergül Aydemir, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt der SPD im Kreisverband Warendorf,  Vorsitzende des Integrationsrates der Stadt Ahlen sowie Kreistagsmitglied, weiß aus persönlicher Erfahrung um die Problematik der aktuellen Regelung: „Ich lebe in zweiter Generation in Deutschland und fühle mich meiner Identität beraubt: Um eine Chance auf Teilhabe zu erhalten,  musste ich meine Herkunft aufgeben.  Und so geht es vielen Menschen, vor allem denjenigen, die aus der Türkei stammen. Uns werden ein Stück weit die Menschenrechte und die Würde genommen. Dabei sollte Deutschland in diesem Bereich Vorreiter sein. Die deutsche Staatsbürgerschaft wird so zum Zwang, wenn man sich hier einbringen und engagieren will.“ Zudem lebe die erste Generation ehemaliger türkischer Gastarbeiter bereits seit über 60 Jahren in Deutschland: „Wir sind nicht mehr die „Ausnahme“, sondern gehören zum Land dazu. Unsere Kinder wachsen hier auf und wir leisten unseren wertvollen Beitrag zur Wirtschaft und zur Gesellschaft.“

Von der Optionspflicht zum Recht, frei wählen zu können

Aktuell haben von den in Deutschland lebenden und aufgewachsenen Bürgerinnen und Bürgern, deren Herkunft ein Nicht-EU-Land ist, nur diejenigen die Möglichkeit, die doppelte Staatsangehörigkeit zu tragen, die nach 1990 geboren sind oder seit weniger als acht Jahren in Deutschland leben. Das soll so nicht bleiben, fordert auch die Landtagsabgeordnete Annette Watermann-Krass: „Der in Deutschland noch immer geltende Grundsatz, die Mehrstaatigkeit zu vermeiden, gehört ein für alle Mal in die Geschichtsbücher. In einer offenen und pluralen Demokratie, wie wir sie hier leben wollen, sollten Mehrfachidentiäten selbstverständlich dazugehören.“

Für sie und Ergül Aydemir sei es nicht zu verstehen, wie sich ein Einwanderungsland wie Deutschland so gegen dieses Thema sträuben könne: „An dieser Stelle muss ein Umdenken stattfinden. Mehrere Staatsangehörigkeiten sind kein Verlust, sondern ein Gewinn für die Identität der Menschen und letztendlich auch die unseres Landes.“

Das Problem der Optionspflicht betrifft nicht nur Menschen aus dem Haupteinwanderungsland Türkei, sondern durch den Brexit bald auch diejenigen aus dem Vereinigten Königreich. Noch ein Grund mehr für die beiden Politikerinnen aus dem Kreis Warendorf,  das Recht auf doppelte Staatsbürgerschaft so bald wie möglich zu erweitern und damit auch zu modernisieren.