Annette Watermann-Krass (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Ritter und Herr Diekhoff, ich habe schon herausgehört, wie sehr Sie sich bemüht haben, die Agrarförderung zu verstehen. Ich selber halte nun schon seit 2005 Reden dazu, und ich habe auch all die Veränderungen mitbekommen. Ich kann nur sagen: Ihr Antrag ist wirklich altbacken und konservativ.
(Beifall von der SPD und Norwich Rüße [GRÜNE])
Sie mischen zwar so ein paar Banalitäten hinein – ein bisschen Naturschutz, Digitalisierung, Bürokratieabbau –, aber ehrlich gesagt ist er wirklich rückwärtsgewandt.
An allererster Stelle stellen Sie natürlich Ihre Forderung: Direktzahlungen müssen erhalten bleiben. – Da frage ich Sie mal: Nehmen Sie eigentlich wahr, wer alles auf welchem Feld Ihnen mitgibt, dass wir genau an der Stelle miteinander diskutieren müssen, dass es eine Änderung geben muss?
Ich zitiere mal nur zwei Sachen. Es gab jetzt die Umfrage des NABU. Die hat vor einem Monat das Meinungsforschungsinstitut Forsa veröffentlicht. Da wurden Landwirte in Deutschland gefragt, was sie von der Agrarpolitik halten. Die Umfrageergebnisse sind – nehmen Sie die bitte zur Kenntnis –: 91 % der Landwirtinnen und Landwirte wünschen sich eine bessere Förderung von tierfreundlicher Viehhaltung. 87 % sind bereit, künftig mehr für den Naturschutz zu tun, sofern sie hierfür eine angemessene Förderung erhalten. 83 % wollen eine Produktion mit hohen Umweltstandards, und fast jeder zweite Betrieb – 44 % – kann sich ab 2030 eine Abschaffung der pauschalen Direktzahlungen vorstellen, sofern umweltfreundliches Arbeiten stärker als bisher gefördert wird.
Also: Selbst die Landwirte sind mittlerweile davon überzeugt, dass sie eine andere Förderung brauchen.
Dann nehme ich das nächste Beispiel. Das fand ich sehr hilfreich. Ich zitiere aus der Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik von 2018 – der ist ja beim Bundeslandwirtschaftsministerium angedockt –: Die derzeitige GAP wird den gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen im Bereich Landwirtschaft und ländliche Räume nicht gerecht. Sie sollte weiterentwickelt werden zu einer gemeinwohlorientierten Politik.
Und zur Direktzahlung: Diese Zahlungen sind verteilungspolitisch nicht zu rechtfertigen. Sie sind weder an der Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Funktion der Landwirtschaft noch an der betrieblichen oder der personellen Bedürftigkeit der Landwirte ausgerichtet. Ein großer Teil wird an Bodeneigentümer durchgereicht. – Zitat Ende.
Also: Das jetzige Fördersystem folgt dem Prinzip „Wer hat, dem wird gegeben“. Wir wissen alle, 10 % bekommen 80 % der Mittel. Wir lehnen dieses System in aller Konsequenz ab. Wir fordern eine tatsächliche Reform der GAP nach dem Prinzip „Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“.
Wichtig ist auch: Unser Ziel ist nicht die Kürzung der Agrarförderung – wir brauchen das Geld –, sondern sie muss klar gebunden werden an Kriterien, die den Menschen, dem ländlichen Raum sowie dem Tier- und Umweltschutz zugutekommen.
Sie haben es erwähnt, Herr Diekhoff: Es wird deutlich weniger Geld geben. Heute ist die Ministerin ja leider nicht anwesend. Mich würde schon mal interessieren, wie sie zur Umschichtung steht. Sonst sagt sie immer: alles Agrarumweltmaßnahmen. – Ich bin mal gespannt, wie viel Geld wir in der zweiten Säule dafür haben werden.
Vizepräsidentin Angela Freimuth: Frau Kollegin Watermann-Krass, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage, weshalb ich Sie unterbreche, um zu fragen, ob Sie die Zwischenfrage der Abgeordneten Winkelmann zulassen.
Annette Watermann-Krass (SPD): Ja, gerne.
Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte sehr.
Bianca Winkelmann (CDU): Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen, Frau Kollegin Watermann-Krass. Sie treten ja immer ein für die regionale Vermarktung und für kleine landwirtschaftliche Familienbetriebe. Deshalb habe ich die Frage: Ist Ihnen bewusst, in welcher Höhe kleine landwirtschaftliche Familienbetriebe von den Förderungen der ersten Säule profitieren? Und wenn ja, was für Alternativen gibt es aus Ihrer Sicht?
Annette Watermann-Krass (SPD): Frau Winkelmann, wenn Sie mir zugehört hätten, hätten Sie mitbekommen, dass ich das eben ausgeführt habe. Ich bin dafür, dass wir das Geld, das im Agrarbereich steht, auch verwenden. Ich möchte es nur anders verwenden. Ich möchte, dass es genau für diese Förderung für den ländlichen Raum in der Vielfalt, wie wir sie haben, eine Unterstützung gibt und dass nicht 10 % der Landwirte 80 % dieser Mittel abschöpfen. Das ist nämlich jetzt so.
Der Vorschlag, den die EU-Kommission für die GAP nach 2020 vorgelegt hat – auch diese Diskussion haben wir verfolgt –, reicht so nicht aus, um zukunftssicher zu wirtschaften. Auch der Rechnungshof hat sich ja in der Sache geäußert. Er hat diesen Vorschlag kritisiert, der jetzt auf dem Tisch liegt. Nach Auffassung des Rechnungshofes sind die Reformpläne für die EU-Agrarpolitik zu wenig umwelt- und leistungsorientiert.
Deswegen, CDU und FDP, kann ich nur sagen: Das ist ein sehr unambitionierter Antrag. In Block I können wir direkt abstimmen. Also werden wir uns jetzt nicht weiter in die Sache vertiefen. Ich finde, das kann nur ein klares Signal dafür sein, dass Ihnen das Thema nicht so sehr am Herzen liegt. Es ist vielleicht dem geschuldet, dass am Sonntag die Europawahl stattfindet. Ich hoffe, dass das neue Parlament, das wir dann haben werden, endlich den Mut aufbringt und mehr Verantwortung darin sieht, die Menschen im Binnenmarkt zu ernähren und nicht mit Überproduktionen und Dumpinglöhnen und -preisen den Markt in Übersee zu beliefern.
Wir werden diesen Antrag ablehnen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von der SPD)
Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Watermann-Krass. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Herr Kollege Rüße das Wort. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.